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Drohnen fliegen im Dunkeln

Eine autonome Drohne mit "Event"-Kamera. Bild: UZH

Drohnen können nun im Dunkeln und ohne GPS fliegen. Dass haben ihnen Zürcher Forscher beigebracht.

Es ist erstaunlich wie akkurat die Drohne im FlyRoom der Universität Zürich ihre Runden zieht. Erstaunlich, weil sie es selbstständig, ohne menschliche Steuerung und ohne Hilfe des Globalen Positionierungssytems GPS tut. Denn dieses funktioniert in geschlossenen Räumen nicht. Stattdessen nutzt die Drohne zur Orientierung eine Kamera und einen Bordcomputer. «Wenn ich jetzt das Licht ausschalten würde, würde so eine Drohne normalerweise die Orientierung verlieren, denn die Kamera braucht Licht», sagt Henri Rebecq, Doktorand in der Robotics Perception Group von Professor Davide Scaramuzza. Sekunden später schaltet Henri das Licht aus, und es passiert: nichts. Die Drohne bleibt auf Kurs. Denn sie trägt einen neuartigen Sensor, der es ihr erlaubt sowohl bei Tag- als auch bei Schummerlicht zu fliegen. Dieser Sensor ist so gross wie ein Zigarrenstummel und besteht aus einer normalen Kamera und einer sogenannten «Event»-Kamera, die nur Helligkeitsunterschiede detektiert.

Hilfe bei Erdbeben

Dank des neuen Sensors kann die Drohne autonom fliegen. Sie muss nicht von Menschen gesteuert werden. So könnte sie nach einem Erdbeben in kollabierte Gebäude fliegen um dort nach Überlebenden zu suchen. Bei Rettungs- und Bergungsaktionen könnte sie helfen, da die autonome Drohne schnell in unwegsamem Gelände vorwärtskommt. Alternativen zu der «Event»-Kamera wären Wärmebildkameras. Doch die haben den Nachteil, dass sie nur Dinge erkennen deren Temperatur sich unterscheidet. Und: bei hoher Geschwindigkeit liefern sie verwackelte Bilder.

Am menschlichen Auge abgeguckt

«Die «Event»-Kamera ist so schnell, dass sie selbst bei einer Geschwindigkeit von 700 km/h noch scharfe Bilder macht», erklärt Scaramuzza. Denn die Kamera, die 2014 an der Universität Zürich entwickelt wurde, funktioniert nicht wie normale Kameras, die kontinuierlich Bilder aufnehmen. Sie macht nur dann ein Bild, wenn sich etwas in der Helligkeit der Szenerie ändert. Dieses Prinzip haben sich Forscher am menschlichen Auge abgeguckt: Hier treffen Lichtteilchen auf Fotorezeptoren, aber erst eine bestimmte Anzahl von Lichtteilchen löst einen Nervenreiz aus. Bei der «Event»-Kamera treffen Lichtteilchen auf Pixel, die nur dann ein Signal liefern, wenn sich die Anzahl der eintreffenden Lichtteilchen verringert oder erhöht.

Indem die neu entwickelte Kamera nicht ständig Bilder schiesst, spart sie auch Strom. Das ist wichtig, damit Drohnen, die auf eine Batterie angewiesen sind, länger in der Luft bleiben können, erklärt Guido de Croon von der Technischen Universität Delft in den Niederlanden. Er forscht ebenfalls an autonom fliegenden Drohnen und hält die Arbeit von Davide Scaramuzza für bahnbrechend und vielversprechend zum Beispiel für Anwendungen in der Landwirtschaft. Hier könnte eine Drohne dank des neuen Sensors lange Zeit über einem Feld schweben.

Facebook ist interessiert

Bereits interessiert sich auch Facebook für Scaramuzza´s Sensor. Die Facebook-Tochter Oculus arbeitet in der Schweiz an Virtual-Reality-Brillen. Mit solchen Brillen kann man sich in einer virtuellen Umgebung erleben, zum Beispiel in einem Videospiel. Doch für den 3D Effekt der Brillen braucht es bisher externe Kameras, die man zum Beispiel im Wohnzimmer aufhängt. Wäre der neue Sensor an der VR-Brille befestigt, könnte man sich schneller und unabhängiger in der virtuellen Realität bewegen. «Die Facebook-Tochter hat schon versucht meine Doktoranden abzuwerben», sagt der Scaramuzza und lacht. Das hat bei Henri aber nicht geklappt. Er wird weiter an autonom fliegenden Drohnen forschen.

Vermeintlich Diabetikerin - Wegen eines einzigen Messwerts

Diabetest-Screening von Schwangeren löst auch Fehlalarm aus. Bild: http://www.Pexels.com, CC0, via Wikimedia Commons.

Diabetest-Screening von Schwangeren löst auch Fehlalarm aus. Bild: http://www.Pexels.com, CC0, via Wikimedia Commons.

Die häufigste Komplikation bei werdenden Müttern ist Schwangerschaftsdiabetes. Ein Test soll die Krankheit rechtzeitig erkennen, doch dieser ist umstritten.

Verena Schmid (Name von der Redaktion geändert) hatte eine sorglose Schwangerschaft – bis sie im sechsten Monat zur Vorsorgeuntersuchung ging, um einen Blutzuckertest zu machen. Das Resultat des Tests überraschte sie: Schwangerschaftsdiabetes. Einer ihrer Blutzuckerwerte war leicht erhöht gewesen. Dieser Messwert sollte fortan die Schwangerschaft der Zürcherin bestimmen.

Noch vor einigen Jahren hätte Verenas Wert von 5,1 Millimol pro Liter als normal gegolten. Doch seit 2011 sind die Grenzwerte für die Diagnose der Zuckerkrankheit in der Schweiz niedriger, und schwangere Frauen werden einem Screening unterzogen. Dadurch trifft die Diagnose Schwangerschaftsdiabetes jede zehnte werdende Mutter – drei- bis viermal mehr als noch vor 2011.

Hinter den strengen Grenzwerten steckt eine gute Absicht. Denn bleibt Schwangerschaftsdiabetes unbehandelt, sind schlimme Folgen für Mutter und Kind möglich. Wegen des hohen Blutzuckers der Mutter wachsen die Ungeborenen zu stark, meist wiegen sie am Geburtstag mehr als vier Kilogramm. Das verzögert die Geburt, deshalb kommen die meisten dieser Babys per Kaiserschnitt zur Welt. In seltenen Fällen werden die Ungeborenen schon vor der Geburt nicht mehr ausreichend versorgt und sterben im Mutterleib.

Weil einige dieser Komplikationen mit einem nur leicht erhöhten mütterlichen Blutzuckerwert zusammenhängen, wurde das Screening in der Schweiz eingeführt. Behandelt man die so erfassten Mütter, bringen die Neugeborenen weniger Gewicht auf die Waage und es kommt unter anderem zu weniger Geburtsverzögerung.

Umstrittener Grenzwert

Doch: Um die Diagnose zu stellen, reicht ein einziger erhöhter Wert. Das führt zu Überdiagnosen. Das heisst, dass eigentlich gesunde Schwangere als zuckerkrank erklärt werden. Nach Einschätzung der Schweizerischen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe ist dies bei jeder zwanzigsten Diagnose der Fall. Noch höher schätzt Evelyn Huhn, Gynäkologin am Universitätsspital Basel, die Überdiagnosen. In ihrer Praxis betreffe es fast jede zehnte diagnostizierte Frau. Doch: «Diese Überdiagnosen nehmen wir in Kauf, weil man sie im späteren Verlauf der Schwangerschaft erkennen kann», sagt Huhn. So könnten Ärzte bereits begonnene und unnötige Behandlungen wieder einstellen.

Täglich Blutzucker messen

Das geschieht jedoch nicht immer, wie Verena Schmid erleben sollte. Wie alle Frauen mit der Diagnose bekam sie ein Blutzuckermessgerät. «Viermal täglich musste ich mich in den Finger stechen, um meine Blutzuckerwerte zu messen», erzählt die 32-Jährige. Sind die Werte zu hoch, müssen die Schwangeren Diät halten und sich mehr bewegen. In 80 Prozent der Fälle reicht das, um den Blutzucker im grünen Bereich zu halten. Schaffen sie das nicht, müssen Betroffene Insulin spritzen. Verenas Zuckerwerte waren bei allen ihren Messungen normal – auch ohne Diät.

Zusätzlich zur Kontrolle des Blutzuckers leiten Ärzte die Geburt sehr oft am Stichtag hormonell ein. «Eingeleitete Geburten sind aber oft langwierig», sagt Andrea Weber, Geschäftsführerin des Schweizer Hebammenverbandes. «Sie enden nicht selten mit einem Kaiserschnitt».

Eine natürliche Geburt war Verena aber sehr wichtig. «Es hat mich unheimlich geärgert, als meine Frauenärztin mir sagte, bei mir würde die Geburt eingeleitet», erinnert sich Verena. «Denn meine Blutzuckerwerte waren nach dem ersten Mal nie mehr zu hoch und mein Baby war nicht zu gross». Barbara Felix, Endokrinologin am Kantonsspital Baselland, behandelt viele Schwangerschaftsdiabetikerinnen und kann Verenas Frust nachvollziehen: «Es stimmt, dass Frauen mit der Diagnose in ein Krankheitsraster fallen, aus dem sie nur sehr schwer wieder herauskommen.»

Problematische Sichtweise

Zudem findet Felix die Fokussierung auf Blutzuckerwerte problematisch. Denn ein erhöhter Wert könne eine zugrundeliegende Störung anzeigen, und diese lasse sich allein durch das Niedrighalten des Wertes nicht beheben. Viel wichtiger sei es, dass Frauen schon vor der Schwangerschaft ein gesundes Körpergewicht erreichten. Denn Übergewicht und zu starke Gewichtszunahme in der Schwangerschaft sind ebenfalls für zu grosse Babys verantwortlich.

Dies sagt auch die Basler Gynäkologin Evelyn Huhn. Dennoch hält sie das Screening für sinnvoll und wichtig. Die Krankheit müsse man erkennen und behandeln. «Die Schwangerschaft ist oft ein Spiegel des Alters», sagt sie. Wer hier schon Probleme mit dem Blutzucker habe, könne im Alter richtig zuckerkrank werden. Deswegen sei es auch notwendig, die Blutzuckerwerte nach der Schwangerschaft im Auge zu behalten.

Ärztin gewechselt

Verena Schmid hat ihre Blutzuckerwerte nach der Schwangerschaft nicht mehr kontrolliert, denn sie ist überzeugt, die Krankheit niemals gehabt zu haben. Darum hat sie noch während der Schwangerschaft die Ärztin gewechselt. Dass nicht alle Gynäkologen Augenmass nach einer Diagnose von Schwangerschaftsdiabetes einsetzen, weiss auch Hebamme Andrea Weber. Sie kennt etliche Fälle wie den von Verena. Häufig würden dann die Frauen die Verantwortung selbst in die Hand nehmen. «Es war für mich sehr schwierig, ein Spital zu finden, wo ich nicht als Schwangerschaftsdiabetikerin behandelt wurde», erzählt Verena. Letztendlich fand sie in Richterswil eine Klinik, wo man auf die Einleitung der Geburt verzichtete. Hier brachte Sie zwei Tage nach dem Termin ein gesundes Mädchen zur Welt – auf natürlichem Weg.