Wasser im Wein

Der Handel mit gefälschten Spitzenweinen verursacht jedes Jahr Schäden in Milliardenhöhe. Doch im Labor lassen sich fast alle Tricks der Betrüger erkennen.

Zuerst erschienen in der NZZ am Sonntag am 14. März 2021.

 

Es war ein mysteriöser Fund, den italienische Polizisten vergan­genes Jahr auf einer Strasse in der Stadt Empoli nahe Florenz machten: eine Weinkiste mit Flaschen des berühmten «Bol­gheri Sassicaia». Der edle Tropfen aus der Toskana ist eine Rarität, für die mancher Weinliebhaber Hunderte Euro springen lässt. Doch der vermeintlich wertvolle Fund führte Ermittler an einen Ort, an dem nicht Winzer, sondern Fälscher am Werk waren.

In einem Mailänder Lagerhaus entdeckten sie Material, um billigen Wein aus Sizilien in Flaschen aus der Türkei abzufüllen und mit Etiketten aus Bulgarien als Sassicaia des besonderen Jahrgangs 2015 zu deklarieren. Die Fälscher hätten damit 2 Millionen Euro eingenommen.

Wein gehört zu den meistgefälschten Konsumgütern. Die EU-Behörde für Geistiges Eigentum beziffert den Wert gefälschter Spirituosen und Weine mit 2,3 Milliarden Euro pro Jahr, was einem Umsatzverlust von 5,3 Prozent entspräche.

Aufgedeckt werden Weinfälschungen manchmal zufällig, etwa wie beim Sassicaia-Fall, oder dank auffälliger statistischer Daten, wie bei einem französischen Fall aus dem Jahr 2009. Damals stellten Behörden fest, dass viel mehr Pinot Noir aus dem Departement Aude exportiert wurde, als die Winzer tatsächlich produziert hatten. Aber es sind nicht nur Unregelmässigkeiten in den Dokumenten, die gefälschte Produkte auffliegen lassen, sondern auch der Flascheninhalt. Die Wahrheit über Herkunft, Jahrgang oder Rebsorte liegt wie so oft im Wein selbst.

Schwerer Sauerstoff

So trägt der Wasseranteil des Weins das Geheimnis seines Ursprungs in sich. Rein chemisch handelt es sich zwar immer um das Molekül H2O, bestehend aus zwei Wasserstoff- und einem Sauerstoffatom. Doch es gibt verschiedene Isotope dieser Atome. Das Verhältnis von schwererem Sauerstoff-18 und leichterem Sauerstoff-16 im Regenwasser etwa schwankt je nach Region. Es verändert sich, je nachdem wie hoch und auf welchem Breitengrad ein Weinberg liegt, wie weit entfernt von der Küste er sich befindet, und hängt von der Regenmenge ab.

Die Analyse der stabilen Sauerstoffisotope im Wein wendet zum Beispiel auch das ­Kantonslabor Wallis an. «Damit überprüfen wir stichprobenartig die Authentizität von Schweizer Weinen», sagt der Kantonschemiker und Direktor der Dienststelle für Verbraucherschutz und Veterinärwesen Elmar Pfammatter. «Wenn wir auffällige Werte entdecken, schliessen sich unsere Lebensmittelinspektorate mit der schweizerischen Weinhandelskontrolle zusammen.» Gemeinsam könnten gezielte Inspektionen durchgeführt werden.

Durch die Isotopenanalyse lässt sich auch feststellen, ob ein Winzer mehr Profit einstreicht, indem er den Wein mit Wasser streckt. Oder ob er dem Traubenmost billigen Rohrzucker zugesetzt hat. Denn der Zucker aus Zuckerrohr hat ein anderes Verhältnis von leichten und schweren Kohlenstoffisotopen als der Zucker aus den Weintrauben.

Dank solchen Verfahren konnte man feststellen, dass im Zuge des sogenannten «Brunello-Gate» im Jahr 2008 gefälschter italienischer Wein nach Deutschland gelangt war. Damals hatten Fälscher 1,3 Millionen Liter Brunello di Montalcino in Umlauf gebracht, der mit verschiedenen Rebsorten verschnitten war. Bei 14 Prozent der in Deutschland getesteten Proben entdeckten Lebensmittelanalytiker Mängel, etwa den Zusatz von Wasser, Rübenzucker oder falsche Herkunftsangaben.

Fingerabdruck des Weins

Um zu wissen, welche Isotopenverhältnisse korrekt sind für einen unverfälschten ­Brunello aus dem Jahr 2008 braucht es Vergleichswerte. Die EU hat dazu eine Weindatenbank aufgebaut, in der für jedes Jahr seit 1992 die charakteristischen Isotopenwerte der Weinregionen der Mitgliedsstaaten aufgeführt sind.

Die Echtheitsanalyse von Wein ist aufwendig und teuer. Wissenschafter untersuchen deswegen neuere Verfahren, um Weinen schnell und preiswert ihre Geheimnisse abluchsen zu können. In den letzten Jahrzehnten haben sich sogenannte Fingerabdruckverfahren etabliert. Dabei werden nicht nur wenige bestimmte, sondern eine Vielzahl von Molekülen gleichzeitig untersucht. Durch statistische Methoden lässt sich somit ein bestimmtes Muster – der Fingerabdruck – ermitteln, der für bestimmte Weinregionen oder Jahrgänge charakteristisch ist.

So haben australische Forscher in einer kürzlich erschienenen Studie eine Methode entwickelt, mit der sie Cabernet-Sauvignon aus dem Jahr 2015 mit 100-prozentiger Trefferquote verschiedenen Weinbauregionen in Australien und im Bordeaux zuordnen konnten. Die Methode beruhte auf der Analyse der fluoreszierenden Inhaltsstoffe im Wein, und sie ist technisch leicht durchführbar.

«Fingerabdruckverfahren können auch nützlich sein, wenn es darum geht, die ­Rebsorte eines Weines zu analysieren», sagt der Leiter der Fachgruppe Produktidentität, Warenketten und Rückverfolgbarkeit, Carsten Fauhl-Hassek, vom deutschen Bundesinstitut für Risikobewertung. Rotweinsorten liessen sich teilweise anhand des Spektrums ihrer roten Farbstoffe auseinanderhalten. Beim Weisswein funktioniert das nicht: «Einen Riesling von einem Chardonnay zu unterscheiden, ist schon viel schwieriger», so Fauhl-Hassek. «Da gibt es noch einigen Forschungsbedarf.»