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Stammzellen: Multitalente mit Einschränkungen

Menschliche embryonale Stammzelen. Bild: Id711 at English Wikipedia, Public domain, via Wikimedia Commons

Menschliche embryonale Stammzelen. Bild: Id711 at English Wikipedia, Public domain, via Wikimedia Commons

Wie weit reicht das Können von Stammzellen wirklich? Eine Rezension des Videos "Riken Stemcells" von Arkitek.

Eine simple und doch elegante Methode sollte den Durchbruch für die Gewinnung von Stammzellen darstellen – und entpuppte sich letztlich als Betrug. 2014 hatte eine Wissenschaftlerin des renommierten Riken Instituts in Japan im Fachblatt Nature behauptet, Körperzellen von Mäusen durch ein Säurebad in Stammzellen verwandeln zu können. Nur wenig später wurde sie der Fälschung überführt.

Ausgerechnet das Riken Institut hat das hier präsentierte Erklärvideo über Stammzellen in Auftrag gegeben. Eine PR-Maßnahme? Nein, denn der Film wurde schon vor dem Skandal angefordert und fertig gestellt. Die amerikanische Firma Arkitek Scientific hat an dem 3D-Animationsfilm ein halbes Jahr gearbeitet. Für die Produzenten und die am Film beteiligten Wissenschaftlerinnen war es eine Herausforderung: Die vielen Forschungsergebnisse zu Stammzellen machten es nicht leicht, einen inhaltlich korrekten und doch verständlichen Film zu gestalten, sagt Beth Anderson, Mitbegründerin von Arkitek Scientific.

Das Resultat ist gelungen: Das Video präsentiert die Fülle der Informationen eingängig und doch kurz gefasst. Denn "die Stammzelle" als solches gibt es nicht. Der Film erklärt, warum ihre Vielfältigkeit vom Grad ihrer Differenzierung abhängt und zeigt verständlich die Unterschiede zwischen totipotenten, pluripotenten und multipotenten Stammzellen. Dabei lässt der ruhige Sprachfluss genug Pausen um das Gehörte zu verarbeiten. Auch gehen die Informationen weit genug in die Tiefe: Der Film erklärt zum Beispiel, inwiefern sich embryonale Stammzellen genetisch von plazenta-bildenden Zellen unterscheiden. Auch der medizinische Einsatz von Stammzellen wird genannt: Besonders das Nervensystem, das Herz und die Bauchspeicheldrüse können sich beispielsweise schlecht selbst erneuern. In der Zukunft könnten embryonale Stammzellen hier eine wichtige Rolle spielen – wenn Wissenschaftler einen gangbaren Weg finden, sie zu erzeugen. Denn leider ist ihre Herstellung doch nicht so einfach wie einstmals vom Riken Institut publiziert.

Crispr/Cas9 - Die Wunderwaffe?

Crispr/Cas9 wird oft als molekulare Schere bezeichnet um gezielt Änderungen im Erbgut vorzunehmen. Bild: National Human Genome Research Institute (NHGRI) from Bethesda, MD, USA (CRISPR-Cas9 Editing of the Genome) [CC BY 2.0 (http://creativecommons.o…

Crispr/Cas9 wird oft als molekulare Schere bezeichnet um gezielt Änderungen im Erbgut vorzunehmen. Bild: National Human Genome Research Institute (NHGRI) from Bethesda, MD, USA (CRISPR-Cas9 Editing of the Genome) [CC BY 2.0 (http://creativecommons.org/licenses/by/2.0)], via Wikimedia Commons.

Ein Video erklärt den Mechanismus von CRISPR-Cas9, hinterlässt jedoch den Eindruck eines Werbefilms. Rezension des Videos Genome editing with Crispr-Cas9 vom McGovern Institute for Brain Research.

Als 2012 die gentechnische Methode CRISPR-Cas9 der Wissenschaftsgemeinde präsentiert wurde, stand für viele Forscher fest: Hier handelt es sich um eine Revolution der Gentechnik, wie es sie zuletzt bei der Entwicklung der PCR gab. CRISPR steht für "Clustered Regularly Interspaced Short Palindromic Repeats", also kurze, sich in Abständen wiederholende Sequenzen von DNA. Sie helfen der molekularen Schere Cas9 (CRISPR associated9), bestimmte Genabschnitte zu finden, sie auszuschneiden und zu ersetzen. Damit können Stücke von DNA zielgenau und maßgeschneidert verändert werden – sogar in der Keimbahn, was sich nachhaltig auf die Nachkommen eines Organismus auswirken würde.

Nur wenige Jahre später berichteten 2015 erstmals chinesische Wissenschaftler, diesen Schritt gegangen zu sein. Führende Forscher riefen daraufhin zu einem Moratorium von Experimenten an der menschlichen Keimbahn auf. Im Februar 2016 verwendete eine britische Wissenschaftlerin sogar CRISPR-Cas9, um menschliche Embryonen zu manipulieren – die Genehmigung dafür erhielt sie allerdings nur unter der Auflage, dass die genveränderten Organismen nicht in eine Gebärmutter eingepflanzt werden.

Dieser Fall zeigt das größte Problem an der Methode: CRISPR-Cas9 kann zwar verwendet werden, um die Weitergabe von Erbkrankheiten zu verhindern, aber auch, um Menschen gezielt zu gestalten. Die Angst davor könnte die Forschung mit der Technik zum Erliegen bringen.

Von den Risiken und Machbarkeitsgrenzen der Methode erfährt man nichts im Film vom McGovern Institute for Brain Research at MIT. Stattdessen tauchen wir zu hypnotischer Musik, die ein Gefühl der Sicherheit suggerieren soll, in den Mikrokosmos des Zellinneren. Alles ganz einfach und sauber – Schnitt auf den menschlichen Alltag unter Aufzählung der Anwendungsmöglichkeiten. So liefert der Film einen Einstieg in die Welt der Gentechnologie und bringt dem Zuschauer das Prinzip CRISPR-Cas9 näher. Am Ende hinterlässt er jedoch den Nachgeschmack eines Werbevideos.