Cornelia Eisenach

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Kriegen Bakterien auch Schnupfen?

Auch Bakterien können sich gegen Viren wehren. Ihr Immunsystem  heisst Crispr. Bild: http://www.lbl.gov/Publications/Currents/Archive/Apr-30-2004.html, public domain

Sicherlich nicht, aber Bakterien werden ebenso von Viren befallen wie Pflanzen, Tiere und Menschen. Zwar läuft ihnen nicht die Nase, aber sie können sich durchaus gegen die Invasoren wehren. Denn auch Bakterien haben ein Immunsystem. Das war eine der grössten biologischen Entdeckungen der letzten 15 Jahre. Ihr Immunsystem heisst Crispr. Hinter diesem Zungenbrecher von einem Akronym steht: Clustered regularly interspaced short palindromic repeats. Das bedeutet, dass im Erbgut von Bakterien bestimmte Sequenzen in bestimmten Abständen immer wieder vorkommen. Man kann sich dies folgendermassen vorstellen: Ein Kind steht an einer Bahnschranke und zählt die vorbeifahrenden Waggons eines Güterzugs. Waggon, Lücke, Waggon, Lücke, Waggon, Lücke usw. Dabei fällt auf, dass die Waggons des Güterzugs nicht so aussehen wie die vielen Personenzüge, die sonst auf der Strecke verkehren. Die Waggons gehören nicht immer zum Erbgut des Bakteriums. Sie stammen ursprünglich von Viren. Je mehr unterschiedliche Viren ein Bakterium befallen, desto mehr unterschiedliche Güterzugwaggons trägt es. Wenn Viren Bakterien befallen, schleusen sie ihre virale Erbsubstanz – die Güterwaggons – in die Bakterienzelle ein. Bakterien stellen Kopien dieser Waggons her, integrieren sie in ihr Erbgut und tragen somit immer eine Art Fahndungsfoto der viralen DNS mit sich herum. Werden sie ein nächstes Mal von dem Virus befallen, gleichen sie ihre Waggons mit denen des Virus ab und senden dann ein Enzym namens Cas9 zu den viralen Waggons. Cas9 steht für Crispr-associated 9 und wird oft als molekulare Schere bezeichnet. Das Enzym zerschneidet DNS-Moleküle, aber nur wenn es durch bestimmte Sequenzen (Guide RNA) sozusagen an die Hand genommen wird. Das übernehmen die bakteriellen Waggons, durch sie kann Cas9 zu den viralen DNS-Molekülen geleitet werden. Die molekulare Schere setzt an, zerstückelt die fremde DNS und hindert das Virus so daran, sich auszubreiten.

Eine Revolution in der Biotechnologie

Eine weitere wichtige Entdeckung der letzten Jahre war, dass man diesen Mechanismus kopieren kann, um auch in Tieren, Pilzen und Pflanzen DNS zu verändern. Die Realisierung dieser Anwendung im Jahr 2012 war so bahnbrechend, dass deren Entwicklerinnen, Jennifer Doudna und Emmanuelle Charpentier, schon als sichere zukünftige Nobelpreisträgerinnen gelten. Statt der viralen Sequenzen können jegliche Sequenzen anderer Organismen mithilfe des Cas9-Enzyms geschnitten werden. Dazu geht man vor wie ein Virus, welches seine viralen Güterwaggons in ein Bakterium einschleust. Nur schleust man statt viraler Gene, Kopien von pflanzlichen Genen als Leit-Sequenz in eine Pflanzenzelle. Mithilfe dieser Kopien findet das gleichzeitig eingeschleuste Cas9-Enzym die originale Sequenz im Pflanzengenom und zerstört sie. Wenn in der pflanzlichen Zelle ein DNS-Molekül durchtrennt wird, so wird es durch den zelleigenen Reparaturmechanismus wieder repariert. Dabei kann es zu Fehlern kommen, und diese führen dann zu einer Mutation des Gens. So kann ein Gen ausgeschaltet werden. Im gen-editierten Champignon wurde beispielsweise mittels Crispr/ Cas ein Gen ausgeschaltet, welches für die Braunfärbung bei Lagerung verantwortlich ist. Man kann mithilfe der Crispr/ Cas-Methode aber auch ganz neue und auch artfremde Gene in ein Genom einschleusen. Dazu braucht es zusätzlich zu der Leit-Sequenz und dem Cas9-Enzym eine Vorlage für die einzuschleusende Sequenz. Diese Sequenz kann entweder ein arteigenes Resistenzgen gegen Krankheiten wie beim Apfel sein oder auch ein artfremdes Gen wie das bakterielle Toxin des Bt-Mais'. Wenn Cas9 dann die pflanzliche DNA schneidet, wird das neue Gen in die Schnittstelle eingefügt.